Sie merken wohl gar nichts
Nach einer Woche zu Hause gehen meine Tochter und ich einkaufen. Ein wenig kommt es uns vor, als würden wir einen Ausflug machen. Wir gehen in den Buchladen, in den Supermarkt, und dann kaufen wir in einem Sanitätshaus ein ergonomisches Sitzkissen. Mit der Verkäuferin verabreden wir, es etwas später abzuholen. Uns ist noch die Sache mit dem fehlenden Klopapier eingefallen.
Als meine Tochter und ich ohne Klopapier, aber wieder mit unseren schweren Taschen vor dem Laden stehen, kommt uns ein genervter Paketbote entgegen. Durch die Scheibe sehe ich eine Kundin im Laden. Das Schild an der Tür besagt: Bitte nur zwei Kunden. Gut, denke ich und öffne die Tür des Ladens, bleibe aber mit den Taschen im offenen Eingang stehen.
Die Kundin schaut mich böse an: „Muss das jetzt sein, dass Sie hier noch reinkommen?“, herrscht sie mich an. Sie trägt eine Kappe und ein saures Gesicht, ihr Mund ist verkniffen. „Ho“, sage ich und hebe meine Hände, als würde ich ein wildes Pferd besänftigen wollen. „Ich will nur etwas abholen.“
„Sie merken wohl gar nichts“, sagt sie schnippisch. „Keine Panik, Sie stehen mehr als zwei Meter von mir entfernt.“
„Ich bin gar nicht panisch“, ruft sie gellend. „Na dann ist ja gut“, sage ich.
Die Verkäuferin reicht mir das Sitzkissen und schaut mich bedeutungsvoll an. „Dann noch einen schönen Tag, und bleiben Sie gesund“, rufe ich und winke extra noch mal mit meinem pinkfarbenen Handschuh. Die Panische brummelt missmutig. Draußen sagt meine Tochter: „Die hatte weder Mundschutz noch Handschuhe, meckert aber rum.“
„Macht uns nichts“, sage ich und küsse sie auf die Stirn. Ein Mann beobachtet uns und wirft mir einen rügenden Blick zu. Ich freue mich wirklich schon wieder auf zu Hause.
Isobel Markus, Berliner Szenen der Taz, 26.05.2020