Was lädtste auch dein Handy nicht
Auf dem S-Bahnhof Friedrichstraße stehen zwei Männer vor dem Stadtplan. Sie tragen Kappies, kurze gemusterte Jeans und orange Rucksäcke im Partnerlook, halten jeweils einen Finger als Markierungspunkt auf der Karte und eine Bierflasche im Arm. Sie schwanken hin und her und tragen keine Masken. Touristen, denke ich und überlege, woher sie wohl kommen.
„Alter, das kapier ich hier nicht“, sagt der rechts: „Ich hab echt keinen Plan.“
Der links lässt resigniert den Finger abrutschen. „Versteh ich auch nicht“, sagt er. „Kann echt keine Karte mehr lesen ohne Maps und die Punkte.“
Ich tippe inzwischen auf irgendwo vom Dorf.
Der rechts hat einen ziemlich roten Kopf und sagt: „Was lädtste denn auch dein Handy nicht richtig auf. So was von Hirnriss.“ Er nimmt das Kappie ab und streicht sich über den Bürstenschnitt.
„Ey, das sagt ja wohl der Richtige.“
Der rechts stöhnt. „Was werden die Weiber sauer sein“, er setzt sich auf den Boden vor die Karte, streckt die Beine aus und trinkt seine Flasche leer. Der andere hockt sich daneben und sagt: „Wenn wir sowieso verschollen sind, können wir auch noch ein bisschen Spaß haben, nich.“
Der rechts guckt ihn an und sagt: „Alter, kapierst du überhaupt was?“ Er ist richtig laut. Die Leute gucken jetzt.
„Na was?“ fragt der links und hebt die Hände mit glasigem Blick. „Ist doch jetzt auch schon egal.“
„Boris, ich sag dir eins: Wenn wir das Kackhotel nicht mehr finden, kannste dich gleich an den Eiern aufhängen lassen und ’nen Antrag stellen, dass sie ’ne Sackgasse nach dir benennen.“
Die Umstehenden sehen sich an und lachen verstohlen hinter ihren Masken.
Der links bekommt das mit und sagt: „Siehste, jetzt lacht schon ganz Berlin über dich, kannst bald Eintritt nehmen.“
Isobel Markus, Berliner Szenen der Taz, 30.07.2020